Hubert de Givenchy: Der Schönheitschirurg der Couture (2024)

Ein schwarzes Kleid für Audrey Hepburn hat Hubert de Givenchy berühmt gemacht. Die Kunst des nun verstorbenen Modeschöpfers war seine schlichte, schnörkellose Eleganz. Von Frauke Fentloh

Wenn Hubertde Givenchy auf den Laufsteg trat, um den Applaus des Publiku*msentgegenzunehmen, trug er immer das gleiche Kleidungsstück: einen weißenArbeitskittel, makellos gebügelt und gestärkt. Während andere Modedesigner inFantasieuniform und Maßanzug den großen Auftritt suchten, wirkte Givenchy, alshabe er bloß schnell seine Arbeit im Atelier zur Seite gelegt. Mit höflicherDiskretion und elegantem Schnitt perfektionierte er die Kunst derschnörkelfreien Mode. "In der Haute Couture arbeiten wir wie Schönheitschirurgen",sagte er einmal. "Wir tilgen Unvollkommenheiten und verfeinern die Silhouette."Givenchy wusste damals noch nicht, dass sein Modehaus im 21. Jahrhundert mit neobarocker Spitzeund bedruckten T-Shirts für eine kurze Zeit zur liebsten Einkaufsadresse des Kardashian-Clans avancierensollte.

Geborenwurde Hubert de Givenchy 1927 als Sohn einer Adelsfamilie im nordfranzösischenBeauvais. Sein Vater, ein Marquis, starb an den Folgen einer Grippe, als derSohn zwei Jahre alt war. Für Hubert hatte die Familie eigentlich eine juristischeLaufbahn vorgesehen. Doch glaubt man der Legende, so war der zehnjährigeGivenchy bei der Pariser Weltausstellung von 1937 so beeindruckt vomModepavillon, in dem Designerinnen wie Jeanne Lanvin oder Elsa Schiaparelliihre Entwürfe zeigten, dass er seine Berufswahl zur beschlossenen Sacheerklärte. Die Avantgardistin Schiaparelli hatte eine Schaufensterpuppe nacktüber einem Blumenbeet drapiert und das Kleid locker danebengeworfen.

Mit ein paarSkizzen in der Tasche stieg Givenchy als Siebzehnjähriger in den Zug nachParis. Weil man ihm im Atelier seines großen Vorbildes, des spanischenCouturiers Cristóbal Balenciaga, an der Tür abwies, lernte er das Handwerk beiJacques Fath, Lucien Lelong, Robert Piguet und schließlich bei Schiaparelli,für die er vier Jahre lang arbeitete. Als Givenchy mit 25 sein eigenes Ateliereröffnete, brauchte er – es war 1953 – nicht viel, um die exquisiten PariserModezirkel zu schockieren. Weil ihm das Geld für teure Stoffe fehlte,schneiderte er Mäntel und Abendkleider aus Leinen und günstiger Baumwolle.Obendrein waren seine Schnitte körperbetonter als die der Konkurrenz. Anstellevon Komplettgarderoben schneiderte Givenchy schmale Röcke und Hosen, feinePullover und Oberteile mit tiefen Rückenausschnitten, die beliebig miteinanderkombiniert werden konnten. Er brauchte kaum ein Jahr, um zum neuen Liebling derModeszene aufzusteigen. Givenchy, gutaussehend und stets akkurat gescheitelt,eroberte Bälle, Salons und Künstlerkreise. Bald hingen seine Designs in denGarderoben von Gloria Guinness, Grace Kelly und Jackie Kennedy.

Niemandenjedoch kleidete Givenchy so oft und so gern ein wie Audrey Hepburn, mit der ihneine lebenslange Freundschaft verband. Als sich Hepburn 1953 in GivenchysAtelier anmelden ließ, hatte der eigentlich eine andere Schauspielerinerwartet: Katherine Hepburn, die damals noch weit berühmter war als die24-jährige Audrey. Er ließ der Besucherin höflich ausrichten, er habe keineZeit, die Kostüme für ihren neuen Film zu entwerfen, schließlich habe er geradeerst seine Modelinie gegründet und alle Hände voll zu tun. Weil die beiden sichauf Anhieb verstanden, durfte Hepburn sich trotzdem aus den Kleidern derletzten Saison bedienen. Wenig später erwartete sie Humphrey Bogart im Film"Sabrina" in einem bauschig-weißen Givenchy-Ballkleid zum nächtlichenRendezvous auf dem Tennisplatz. Hepburn war die beste Werbefläche, die derDesigner sich wünschen konnte. Spätestens mit dem schwarzen Etuikleid aus Frühstück bei Tiffany, in dem Hepburn bis heute millionenfach vongroßformatigen Postern lächelt, ging Givenchy in die Filmgeschichte ein.

Die zweitegroße Freundschaft, die Givenchys Karriere prägte, war die zu CristóbalBalenciaga. Obwohl die beiden nie offiziell zusammenarbeiteten, wurde derspanische Couturier zum Mentor des jüngeren Designers. Als gläubiger Mannvertraue er auf zwei Dinge, sagte Givenchy einmal: Gott und Balenciaga. IhreAteliers befanden sich nur ein paar Meter voneinander entfernt auf der PariserAvenue George V, und so oft Givenchy konnte, wohnte er den Anproben auf deranderen Straßenseite bei. Von Balenciaga lernte er, alles Überflüssigewegzunehmen, um zur Quintessenz vollendeter Eleganz zu finden. Als der sich 1968 aus der Mode verabschiedete, empfahl Balenciaga seinen treuenKundinnen, sich fortan von seinem Kollegen einkleiden zu lassen. Hubert deGivenchy war nun der unangefochtene Couturier von Paris.

Für Givenchywaren diese Zeiten, in denen eine Frau nie ohne Hut und Handschuhe aus dem Hausging, die goldenen Tage der Mode. Doch spätestens mit dem Anbruch der Achtzigerwar es in der Mode um die hübsche Zurückhaltung geschehen. In Paris und Mailandherrschten Designer wie Gianni Versace oder Thierry Mugler, die Bombast undExzess feierten. Auf der anderen Seite standen die Modeschöpfer, die Kleiderals Konzeptkunst verstanden und das Establishment mit intellektuellverwickelten (und gelegentlich verstörend hässlichen) Entwürfen hinterfragten,wie Rei Kawakubo von Comme des Garçons oder Martin Margiela. Givenchy wollte Frauenimmer bloß schön machen.

1995, siebenJahre, nachdem er seine Marke an den Luxuskonzern LVHM verkauft hatte, verließer das Haus auf Drängen von Konzernchef Bernard Arnault. Fortan wechselten dieDesigner dort in schneller Folge. LVHM heuerte junge, wilde Modeschöpfer wieJohn Galliano und Alexander McQueen an. Man wollte Givenchy eine Frischekurverabreichen: weg vom gesetzten französischen Couture-Schneiderwerk, hin zurinnovativen und leicht skandalösen Verve junger britischer Moderebellen. Es verwundertwenig, dass Hubert de Givenchy in den Entwürfen von Galliano und McQueen "dasGegenteil von Schönheit und Eleganz" entdeckte. Er selbst, sagte er, habezumindest keine Mode für verhungerte Frauen mit orthopädischen Schuhen undKriegsbemalung entworfen. Die Rechnung ging ohnehin nicht auf. Galliano bliebkein Jahr und ließ sich noch 1996 vom Konkurrenten Dior anstellen. McQueen, dereine Givenchy-Show in einem Schlachthaus abhielt, flog raus.

Erst 2005,als der Italiener Riccardo Tisci als Designer bei Givenchy übernahm und dieMarke mit religiös angehauchter Goth-Romantik und Rottweiler-T-Shirtsrunderneuerte, kam das Modehaus wieder auf Kurs. Jetzt kleideten sich Madonna,Beyoncé und Kim Kardashian in Givenchy, deren Hochzeitskleid Tisci entwarf. DieMarke verkaufte wie nie zuvor. Dass Hubert de Givenchy mit der Mode, die seinenNamen trug, noch immer ausgesprochen wenig anfangen konnte, dürfte alsgesichert gelten. Es war vielleicht einer der Gründe, warum sich der Couturierzuletzt vor allem darauf verlegte, Kunst und erlesene Möbel imLouis-Quatorze-Stil zu sammeln und in seinem Renaissance-Schloss imnordfranzösischen Jonchet opulente Gärten anzulegen. Im letzten Jahr wurde Tisci aber von Clare Waight Keller abgelöst – ihre mädchenhaft-schlichten Entwürfe dürften wieder ganz im Sinne des Gründers sein.

Nun istHubert de Givenchy im Alter von 91 Jahren gestorben. Sein Modehaus bestätigte den Tod des Gründers am Montag. Er sei ein Gentleman gewesen, der über ein halbes Jahrhundert lang Pariser Chic und Eleganz symbolisiert habe, wurde in einem Statement in den sozialen Netzwerken mitgeteilt: "Er wird sehr vermisst werden."

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